19.1.14

JANUARGIPFEL

Bilder   1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / 10



Ein neues Jahr. Neue Gipfel. Gipfelanfang. Gipfeltreffen. Kurz habe ich überlegt die Gipfel zu streichen. Aber irgendwie sind sie mir ans Herz gewachsen. Dafür habe ich entschieden, die Füllung neu zu überdenken. 

In den letzten drei Monaten hat sich meine Einstellung zu einem gewissen Lebenswandel geändert. Gut, ich musste auch nicht mit der unsrigen Gesellschaft Schritt halten, hatte keinerlei Verpflichtungen und niemand stellte Erwartungen an mich. In jeden neuen Tag konnte ich hinein leben, lediglich um ein Bett am Abend musste sich gekümmert und ab und an sollte ein Bus oder ein Flieger nicht verpasst werden, aber ansonsten war ich frei, sehr frei. Alles was ich zum Leben und glücklich sein benötigte passten in die 75 Liter auf meinem Rücken. 

Was mich am meisten verblüfft und gleichzeitig gefreut hat ist, dass ich nichts Materielles aus meinem "alten Leben" vermisst habe. Ein Beispiel. Im vergangenen Sommer habe ich mir den langjährigen Wunsch einer Acne Jeans erfüllt, auf meiner Reise habe ich aber keine Sekunde an diese Hose gedacht. Selbst jetzt - drei Wochen nach meiner Rückkehr - hatte ich sie noch kein einziges Mal an. Ich trage nach wie vor diese eine Jeans, die mich die letzten drei Monate begleitet hat am liebsten. Für die Reise hatte ich weniger Garderobe dabei wie für manchen Wochenendtrip. Ebenso die Eames, Grcics, Eiermans, Jacobsens und Freunde, die mir wirklich wichtig schienen schlummern weiterhin im Stadel und ein Leben ohne sie scheint mir durchaus möglich. Auch Schminke und Kosmetik sind mir plötzlich fremd. Geschminkt wurde sich sowieso nie. Nur ein bisschen Fett für Lippen und Gesicht. Manchmal habe ich eine Woche lang keinen Spiegel gesehen. Danach war ich verblüfft wer mich da anblickt, eine andere Christine mit einem besseren Blick.

Ich habe gelernt mit unglaublich wenig auszukommen und damit sehr glücklich zu sein. Sogar glücklicher wie mit dem all dem Krempel, den ich mein Eigen nennen darf. Am ersten Tag nach meiner Rückkehr stand ich morgens vor dem Kleiderschank. Ich war völlig überfordert, obwohl ich gar nicht übertrieben viel Kleidung besitze. Was ich gemacht habe? Kopfschüttelnd die Türe geschlossen und mich an dem bedient was mir die letzten drei Monate so vertraut war. Und noch immer sind das weisses verwaschene T-Shirt, der graue Wollpulli, diese eine Jeans und die geliebten Dessert Boots meine liebste zweite Haut.

Um einmal wieder den Bogen zu den Spitzen zu spannen. Im letzten Jahr waren die Gipfel oft gefüllt mit Luxus. Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass ich mich in Zukunft nicht mehr mit schönen Dingen umgeben möchte. Schliesslich ist es mein Beruf und meine Passion. Aber ich habe keine Lust mehr meine Zeit in den endlosen Weiten des Netzes zu verbringen, um nach noch schöneren, neueren, minimalistischeren Dingen zu suchen, die sich am Ende doch alle nur wiederholen. Ich weiss nicht einmal was man in diesem Winter so trägt. Die Seiten meiner Lieblingslabels habe ich noch kein einziges Mal besucht, es interessiert mich nicht und irgendwie habe ich auch Angst, dass sie mir etwas neu gewonnenes nehmen, mich entzaubern, mir meinen neuen Blick rauben. Ok, vielleicht ist alles was ich bis hier getippt habe in ein paar Wochen auch schon wieder heisse Luft. Das möchte ich nicht ausschliessen. Die Welt packt einen so schnell und unverhofft wieder. Aber ich habe mittlerweile das Selbstbewusstsein zu behaupten, dass die Dinge, die mich wirklich treffen finden werden. 

So, nun endlich zu den Januargipfeln. Den inhaltlichen Anstoss für den ersten Monat im neuen Jahr hat mir Nina gegeben. In ihren Florentinern hat sie die Frage nach Bauten und Ausstellungen versteckt. Und da das neue Jahr zum Thema Ausstellungen viel Schönes zu bieten hat beginne mal mit diesen in meinen liebsten Häusern. Bauten sollen folgen.




Es ist keine konkrete Ausstellung, die ich hier empfehlen möchte. Es ist einfach der Ort und die Idee aus einem Umstand etwas Gutes zu machen. Vielleicht auch, weil mir das Wort Raketenstation irgendwie gefällt, auch wenn es zugegeben kein gutes ist. Und dann sind da diese Worte von Karl-Heinrich Müller, die ich richtig schön finde: >Die Insel ist urweiblich. Sie gebärt, hält zusammen, stützt, dient und lässt frei. Sie ist kein Muss, sondern ein Darf. Sie ist nicht entweder - oder, sondern sowohl - als auch. Sie fordert jeden zur täglichen Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie ist kein männliches Feld für Organisation, Hetzjagd, Macht und Demonstration.< Besonders ans Herz legen möchte ich Euch den Siza Pavillon von Alvaro Siza und Rudolf Finsterwalder. Und noch viel mehr das Auditorium in diesem Gebäude. Ein guter Termin diesen zu beschauen und zu belauschen ist die Lesung der Thomas-Kling-Poetikdozenten. Lasst das mal das klingen, Poetikdozenten!




Vielleicht einer meiner liebsten Ausstellungsorte, weil so gar nicht dafür konzipiert. Ein Restraum, entstanden beim U-Bahnbau. Perfekt. Jede Ausstellung dort ein Fest. Mein persönliches Highlight war die extra für diesen Raum gefertigte Installation >Sonne statt Regen< von Olafur Eliasson. Aber Gerhard Richters kleine Bildchen machen sich natürlich auch nicht schlecht. Unbedingt und schnell, bald vorbei!
bis 09. Februar 2014



W e r k r a u m   B r e g e n z e r w a l d   /   woodloop - auf biegen und brachen   /

Der Werkraum ist ein junges Haus. Erbaut vom grossen Peter Zumthor. Kein Wunder, die Philosophie des Hauses passt zu ihm. Ich mache hier immer Halt, wegen dem Haus, wegen seinem Inhalt, einfach so. woodloop - auf biegen und brechen wird kommenden Freitag eröffnet, vielleicht sieht man sich ja.
25. Januar bis 26. April 2014




Dieses Museum mag ich einfach. Seit meiner Kindheit besuche ich es in regelmässigen Abständen. Das Gefühl ist immer dasselbe. Ruhig, still, unaufgeregt, schön. Kurzum: klein, aber fein. Die Sammlung beachtlich. (Fast) alle Giacomettis sind hier vertreten (AugustoGiovanni und natürlich Alberto), Ferdinand HodlerGiovanni Segantini und Ernst Ludwig Kirchner. In den aktuellen Ausstellungskalender gesellt sich Andrea Garbald, dessen ungeschönt schöne ehrliche Aufnahmen ich sehr schätze. Unverwunderlich, dass sich seine Spuren mit denen der Familie Giacometti kreuzten. Muss man mögen, ich mag´s!




Das Gebäude befindet sich in bester Nachbarschaft, nämlich direkt neben dem KUB. In den vergangen Jahren entstand hier ein Neubau von Cukrowicz Nachbaur mit Integrierung der alten Bausubstanz. Alleine deswegen lohnt sich der Weg. Wobei ich auch unheimlich gespannt auf die oben genannte Ausstellung bin. Die vertretenen Künstler klingen vielversprechend. Ich freue mich auf grosse Namen, ebenso wie auf Neuentdeckungen. 




Ein geschätzter Name, zu dem man wohl nicht mehr viel sagen muss. In Berlin werden bisher unveröffentlichte Arbeiten von Ai Weiwei gezeigt. Sollte ich im Zeitrahmen in der Hauptstadt sein, werde ich mit Sicherheit vorbei schauen. Ob sich eine Reise extra für die Ausstellung lohnt, weiss ich noch nicht. Bereits zweimal hatte ich das Vergnügen Ausstellungen von und über Ai Weiwei zu besuchen. Sehr schön und intim im Fotomuseum Winterthur und einmal im Haus der Kunst zu München. Vielleicht schaut einer von Euch vorbei und berichtet und ich fahre doch noch hin.                                                            




Ein Besuch hier lohnt sich einfach immer. Künstler von morgen (oder auch nicht) finden. Allein die Atmosphäre des alten Akademiegebäudes ist Ausstellung genug (der Neubau hingegen ist furchterregend). Und die Partys - zu Studentenzeiten - waren auch nie zu verachten. 




Das gute Haus der Kunst ist historisch schwer belastet, dennoch hat es für mich die schönsten Räume überhaupt. Ganz Grosse wie Herzog de Meuron, Andreas Gursky, Bernd und Hilla BecherAi Weiwei, Robin Rhode … durfte ich hier schon sehen und in diesem Jahre freue ich mich ziemlich sehr auf Björks Ehemann, Matthew Barney. Übrigens lohnt sich auch immer ein Besuch in der museumseigenen Goldenen Bar. An einem Sonntagnachmittag im Winter oder einem Sonntagabend im Sommer zum Grillieren. Ach eigentlich immer!

Einer meiner Lieblingsfotografen in einem meiner liebsten Museen von einem Architekten, den ich sehr sehr schätze (das hier mag ich ja auch sehr gerne). Seit nun über sieben Jahren schaue ich mir jede Ausstellung im KUB an. Mehr muss man nicht sagen. Vielleicht nur noch, dass man noch immer und immer wieder >Architekturmodelle Peter Zumthor< gleich nebenan im Sammlungsschaufenster besuchen kann, sowie das Café, ebenso ein Zumthor. Klar!




Würde ich in der Zeit Alberto Giacomettis leben, wäre ich ihm wohl masslos verfallen. Ich liebe seine unverfehlbaren Skulpturen, genauso wie seine skizzenhaft leichten Bilder, die einen in die Tiefe ziehen können. Selbst beschreibt sich Giacometti als den >ewig Suchenenden, der nie ans Ziel kommt<. Dieser Satz rührt tief in mir. Ich habe eine Schwäche für schwierige, extrentische Menschen, daher wohl auch für ihn, sehr. Auf dem berühmten Portrait der Familie Giacometti von Andrea Garbald erkennt man den kleinen Alberto sofort. Manchmal bin ich mir nicht sicher ob mich seine Kunst oder sein Leben mehr fasziniert. Das eine wäre ohne das andere wohl nur halb. Gut, ich ende hier mit meiner Schwärmerei, ich muss nicht länger erklären wieso ich diesen Ort empfehle. Moment, einen weiteren Grund gibt es doch noch: die Landschaft in der es steht, das Engadin. Rau und berührend, wie Giacometti selbst.
Und weil mir noch so viele mehr einfallen, hier noch einige Häuser aufgelistet:

Alte Pinakothek - München   Als Architekturstudent in München kommt man diesem Haus nicht aus. Leo von Klenze als Erbauer und Hans Döllgast als Wundenheiler sind allgegenwärtig. Ich liebe es diese Treppe hinauf und hinunter zu flanieren, ein erhabenes Gefühl. Oder einfach nur vor den wandhohen Gemälden von Rubens zu sitzen, zu schauen, zu staunen. Ich verlasse dieses Haus immer mit einem guten Gefühl.   /   
Das gelbe Haus - Flims   Ich mag es einfach, weil es seit ich denken kann so schön auf dem Weg liegt, ich am liebsten darin wohnen würde, ich es noch in gelb kannte und Valerio Olgiatti es einfach kann.   /   
Margarete Steiff Museum - Giengen   Mit ihren Tieren bin ich aufgewachsen. Als Kind wäre ich wohl am liebsten in dieses Museum gezogen (auch wenn es keine architektonische Meisterleistung ist), nur leider gab es dieses damals noch nicht. Heute gehe ich dort gerne mit Nichten, Neffen und Patenkindern hin.   /   
MUDE - Lissabon   Das Mode und Design Museum in Lissabon habe ich im letzten Sommer für mich entdeckt. Ein wunderschön entkerntes altes Kaufhaus beherbergt gute Stücke des Designs und der Mode.   /   
Museum im Deutschhof - Heilbronn   Zur Sammlung gehören eine Skulptur von Alberto Giacometti und ein Filzanzug von Joseph Beuys, ihr wisst ja!   /   
Museum der Brotkultur - Ulm   Es geht hier nicht nur um die Geschichte des Brotes, sondern auch im die Rolle des Brotes in der Kunst. Mal was anderes. Weitere kulinarischer Museen, hier.   /   
Nolde Stiftung - Seebüll   Es war auf einer Sommerreise nach Dänemark. Wir Kinder waren klein. Meine Eltern machten hier Halt. Ich weiss nicht mehr viel, aber es war ein besonderer Ort. Meine Mutter sagt dasselbe, also muss es stimmen!   /
ZKM - Karlsruhe   An meinen ersten Besuch erinnere ich mich gerne: ich konnte Pflanzen via Fernbedienung in Bewegung versetzen. Immer wieder spannend dorthin zu kommen. Das schöne daran, jung und alt kommen gleichermassen auf ihre Kosten.   /

Hier muss nun einmal Schluss sein. Vielleicht folgt ein weiteres Gipfeltreffen der Museen. Jetzt bin ich gespannt welche Ausstellung Ihr mir empfehlt und danke für Eure Aufmerksamkeit!   /   c




13 Kommentare:

  1. liebe, danke dir für deine worte. und die inhaltlichen neuen gipfel.
    wie wenig wir vermissen, wenn's nicht dabei ist, stellen wir im sommer immer wieder fest. großzügig freiraum schaffen, zumindest versuch ich's gerade, ein anfang ist gemacht im kleiderschrank.
    dank dir für die zwei bregenztipps - meist schaffen wir's, wenn überhaupt, ja nur einmal im jahr nach "Hause", im sommer habe ich schon das neue vorarlbergmuseum bewudnert. nun freu ich mich, vielleicht doch eine der beiden ausstellungen heuer zu sehen!
    liebe grüße und einen feinen sonntag dir!
    dania

    AntwortenLöschen
  2. Oh, ein gutes Vorhaben. Reduktion. :)
    und Giacometti mag ich auch, noch gar nicht so lange mir bekannt, aber bei einer Ausstellung letztes Jahr in der Kunsthalle ist er hängengeblieben.

    AntwortenLöschen
  3. Ich hatte genau die selben Erfahrungen bei meiner Rückkehr. Mit weniger lebt man glücklicher. Und vor allem lebt man glücklicher, weil Glück nicht von Dingen kommt, sondern von Momenten. Mit Menschen. An Orten.

    AntwortenLöschen
  4. endlich wieder kraxeln. und keinen deut weniger gern bin ich auf solchen gipfeln unterwegs. ehrlich? viel lieber sogar.

    AntwortenLöschen
  5. so schön deine gipfel! hab sie so gern! grüsse hinauf zu dir!

    AntwortenLöschen
  6. gute gipfel. wahre worte.
    es ist immer wieder ein balanceakt: die freude am schönen, die krux des "zuviel".
    viel erfolg beim zurückfinden ins alltagsleben mit material. und beim bewahren des kritisch-gelassenen blicks.

    AntwortenLöschen
  7. WUNDERBAR!
    Dieser Text trifft mich so mittendrin; wäre ich einer solchen Feder fähig, hätte ich ich ihn genau so geschrieben.....so schwirren mir die Wörter im Kopf herum.
    Interessant, wie an zwei entgegengesetzten Orten zwei unterschiedlichen Menschen so ähnliche Erfahrungen machen können.

    AntwortenLöschen
  8. ach, schön! lieber finde ich hier architektonisch-kulturelle gipfel. das passt zu dir und wäre für mich ein guter ort zum suchen. für 'schöne dinge' gibt es genug anderes.

    AntwortenLöschen
  9. Sehr gerne würde ich deine Erfahrung fühlen und die Wichtigkeit und Unwichtigkeit der Dinge erleben.

    !

    AntwortenLöschen
  10. das abstreifen all dieser dinge empfinde ich auch jedes mal als befreiend. und ja, es hält auch immer ein wenig an, bis man sich doch wieder darauf einlässt ... dabei, zuerst mit händen und füßen dagegen wehrend und vertrautes aus der erholsamen zeit genießend. ich kann es so gut nachvollziehen. ich liebe diese urlaube ohne alles. außer zahnbürste und ordentliche wanderschuhe natürlich ;)


    deine neue füllung gefällt mir sehr!

    ich fühle mich gerade sowieso materiell übersättigt.


    herzlich!

    AntwortenLöschen
  11. danke dir. ich nehme ganz viel mit.
    und werde sicherlich das jahr über davon zehren. so und so :)

    spontan: louisiana / museum ritter (mit zumthorscher treppenähnlichkeit) / momu in antwerpen

    AntwortenLöschen
  12. Ihr seid zurück, wie schön. Ich mag die Ehrlichkeit in Deinem Text, das Platzgeben für eine Utopie, die gelebt werden will, im Alltag. Ich hoffe sehr, dass ihr ganz viel in eurem Herzen behalten könnt, denn wie gesagt, der Alltag schwappt manchmal unbarmherzig über einen und scheint all die Einsichten zu ertränken. Stricken ist meines Erachtens die beste Meditation, abgesehen natürlich von den Bergen.

    AntwortenLöschen

Merci.